Vibrationsplatten – alles Hokus Pokus?

Hintergründe zu Training mit Vibrationsplatten

Allgemein kann man eine Schwingung (Vibration) vereinfacht als das periodische Hin- und Herbewegen eines Körpers beschreiben. Die Anzahl der Schwingungen in einer Zeiteinheit nennt man Frequenz und die Schwingungsweite Amplitude.

Es werden hauptsächlich harmonische und nicht-harmonische Schwingungen unterschieden. Bei der harmonischen Schwingung, welche in einer Sinus- oder Kosinusfunktion dargestellt werden kann und vielen im Mathematikunterricht begegnet sein dürfte, liegen gleichmäßige Abläufe vor. Diese sind für den Körper unbedenklich und diese Technik kommt bei Vibrationsplatten zum Einsatz. Im Gegensatz dazu können nicht-harmonische Schwingungen dem Körper schaden. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre ein Presslufthammer auf dem Bau.
Vibrationsplatte Schwingungen
Bildquelle: Lüscher, Edgar: Moderne Physik, 1987

Als drittes könnte man auch noch die gedämpfte Schwingung anführen, welche mit zunehmender Zeit eine abnehmende Amplitude vorweist. Leicht zu verbildlichen mit einer Schaukel, die man einmal anstößt. Ohne das weitere zuführen externer Energie läuft die Schwingung aus. Da eine Gedämpfte Schwingung allerdings als Sonderform der harmonischen Schwingung anzusehen ist, ist auch sie gesundheitlich ungefährlich und soll nur Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Als letztes sei kurz auf das Problem der erzwungenen Schwingung hingewiesen. Vielleicht ist dem ein oder anderen im Physikunterricht einmal das Stichwort „Resonanzkatastrophe“ begegnet. Die Eigenschwingung eines Körpers und eine externe Schwingung wiegeln sich hierbei auf und versetzen den Körper in immer stärkere Schwingung bis dieser im schlimmsten Fall zerbricht.

Hierzu muss man wissen, dass unsere Organe und unser Körper ebenfalls mit einer bestimmten Herzzahl von Natur aus schwingen. Es gilt, wenn die eigene Schwingung geteilt durch die externe Schwingung (in unserem Fall des Geräts) kleiner als 1 ist, entstehen Resonanzen. Einfaches Rechenbeispiel: Kopf schwingt mit 18 Hz / Vibrationsplatte mit 15 Hz = 1,2. Was die entstehenden Resonanzen

Regel: Die körpereigenen Resonanzbereiche sollten ausgelassen werden, damit es nicht zu so genannten „Resonanzkatastrophen“ kommt. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, sollte jede potentielle Gefahr vermieden werden. Daher lassen sich die meisten Geräte nicht in den problematischen Frequenzen einstellen. Diese Regel gilt für den Freizeitsport auf vertikalen Geräten. In der Physiotherapie wird meistens ein seitenalternierendes Gerät unter Anleitung eines Therapeuten eingesetzt, welche den Einsatz zwischen 5 und 20 Herz gezielt ermöglichen.
Schwingungen
Bildquelle: Hans-Ulrich Harten: Physik für Mediziner, 1993

Als Abschluss des kurzen Ausflugs in die Physik noch die eigentliche Idee hinter Vibrationstraining. Denk an den ersten Einsatz in der Schwerelosigkeit.

Die grundlegende Formel ist: Kraft = Masse x Beschleunigung

Bei konventionelles Widerstandstraining erhöhen wir in der Regel die Masse durch Zusatzgewichte, z.B. Hanteln, um unsere Kraft zu steigern. Als Beschleunigung fungiert die Erdanziehungskraft.
Fehlt jetzt die Erdanziehungskraft, etwa im Weltall, kann durch die Erhöhung der Masse keine größere Kraft erzeugt werden. In diesem Fall benötigt man also keine Hanteln, sondern künstliche Beschleunigung und genau an diesem Punkt setzt das Vibrationstraining an.

Das Prinzip von Vibrationsplatten

Der Muskelspindelreflex wird beispielsweise durch den Arzt mit seinem Hammer aufgelöst. Er testet damit die Leitfunktion unserer Nerven, vereinfacht Reflexe. Was passiert? Durch die externe Einwirkung einer Kraft (hier der Hammer) auf unsere Sehne, zieht diese am Muskel. Der Muskel wird plötzlich gedehnt und sendet ein Signal an das Rückenmark. Als Schutzreflex sendet das Rückenmark den Befehl „Anspannen“ zurück, um den Muskel vor dem Zerreißen zu schützen. Eben dieser Muskelspindelreflex wird auch durch die Vibration ausgelöst.

Je höher hierbei die verwendete Trainingsfrequenz ist, desto häufiger wird der Muskelspindelreflex ausgelöst und folglich kommt es zu mehr Muskelkontraktionen.

30 Hz = 1800 Kontraktionen / Minute

40 Hz = 2400 Kontraktionen / Minute

50 HZ = 3000 Kontraktionen / Minute

Diese Tatsache nutzt die Werbeindustrie gerne, um zu zeigen, dass Vibrationstraining dem herkömmlichen Training überlegen ist und gleiche Trainingseffekt im Bruchteil der normalen Zeit schaffbar sind, denn wie viele willkürliche Kontraktionen schaffen wir sonst schon pro Minute?

Gerne unter den Tisch gekehrt wird hierbei aber, dass nicht allein die Anzahl der Kontraktionen, sondern auch deren Stärke und Qualität von Bedeutung ist. Natürlich schafft der Muskelspindelreflex es nicht passiv die gleiche Spannung aufzubauen, wie ein aktiver Sportler, der ein submaximales Gewicht stemmt.

Weiterhin ist zu beachten, dass die Reflexzeit, d.h. die Zeit vom Beginn der Reizung bis zum Auftreten der motorischen Reaktion, je nach Mensch zwischen 20 – 50 ms liegt. Dies beutetet, dass unser Körper eine winzig kleine Zeit braucht, um zu reagieren. Sollte die Reizung jedoch so schnell sein, dass er rein biologisch nicht folgen kann, streckt unser Körper die Waffen und reagiert nicht mehr auf die Dehnungseinwirkungen. Würden wir beispielsweise mit 100 Hz (also 100 ganzen Schwingungen was 100 Kontraktionen entsprechen würde) pro Sekunde trainieren, unser Körper schafft aber auf Grund der 20ms Übertragungszeit 50 Einheiten, dann regelt er nicht etwa den Reflex auf sein Maximum herunter, sondern ignoriert die Fremdeinwirkung. Man kann vereinfacht sagen, er gibt auf.

Ein Training über 50 Hz ist daher nicht sinnvoll. Sollte dein Körper sogar eher 50ms Reaktionszeit benötigen (keine Angst, du bist jetzt kein Loser und wirst es auch nirgendwo sonst im Leben merken) liegt dein optimaler Trainingsbereich sogar nur bei 20 Hz.

Last but not least: niemand kann 100% seiner Muskels aktivieren. Bei jeder Kontraktion erledigt nur ein Teil unserer Muskelfasern die Arbeit, während der Rest pausiert. Diese Reserven sind für absolute Notsituationen vorgesehen. Oft hört man, dass Menschen in tödlichen Situationen übermenschliche Kräfte entwickeln. Herzlichen Glückwunsch, ihr habt das Prinzip der autonomgeschützen Reserven entdeckt!

Die untrainierte Mehrheit, etwa 85%, kann gerade einmal 30 bis 40% ihrer Kraft abrufen, sprich nicht einmal die Hälfte ihrer Muskelfaser willkürlich anspannen.

Ein Spitzensportler kommt durch jahrelanges Training auf etwa 80-85%.

Die Vibrationsplatte schafft jedoch durch ihre hohe Herzzahl die Aktivierung von 95-97% aller Muskelfasern! Wie ist das möglich? Eigentlich ganz einfach.

Nehmen wir an, wir haben 100 Muskelfasern und spannen in 1 Sekunde einmal 80% davon an. Somit habe wir im normalen Training 80 Fasern benutzt. Durch die Vibration spannen nun aber z.B. 30 (Hz) mal 80 Fasern in 1 Sekunde an. Die verwendeten Fasern wechseln hierbei zum Teil bei jeder Kontraktion. Also haben wir in der gleichen Sekunde ziemlich jede Faser einmal benutzt, wenn auch mit einem schwächeren Spannungsverhältnis.

Hinzukommt, dass wir nicht nur die oberflächliche Muskulatur erreichen, sondern zusätzlich auch noch in die Tiefe gelangen, denn die Vibration ist überall. Tiefenmuskulatur ist wieder ein beliebtes Werbewort. Sicherlich nicht unwichtig, sollte aber auch nicht überbewertet werden und meistens bei Sportlern viel besser trainiert als uns Ärzte und Therapeuten gerne einreden wollen. Dennoch ist diese Aktivierung aller Muskelfaser ein interessanter Punkt auch für Bodybuilder und Kraftsportler.

Kontraindikationen von Vibrationsplatten

  • Absolute Kontraindikationen
    • Akute Thrombose
    • Herz-, Hirnschrittmacher
    • Höhergradige Osteoporose mit Frakturen
    • Unbehandelte Hypertonie
    • Schwere Diabetes (mit Mikroangiopathien)
    • Schwangerschaft
  • Relative Kontraindikationen
    • Nicht-akute Rückenbeschwerden (bei Morbus Bechterew kein Vibrationstraining!)
    • Implantate länger als 6 Monate (bei einzementierten Prothesen kein Vibrationstraining!)
    • Zahnimplantate (länger als 6 – 9 Monate)
    • Brustimplantate (länger als 6 – 8 Wochen)
    • Gallen- und Nierensteine (kleine Steine)
    • Kardiovaskuläre Erkrankungen (bei ausgeprägter Insuffizienz und Entzündungen kein Vibrationstraining!)
    • Stents (länger als 6 Monate)
    • Epilepsie (länger als 2 Jahre)

Anzumerken sei noch, dass alle Relativen Kontraindikationen nicht zwingend ein Vibrationstraining ausschließen, aber mit dem Arzt oder Therapeuten abgesprochen werden sollten. Bei allen Hinweisen, die mit Zeitangaben versehen sind gilt: Ist die Erkrankung oder der Eingriff jünger als angegeben, zählt es zu den Absoluten Kontraindikationen.

Geschichtliche Grundlagen

Bereits im alten Griechenland untersuchten Gelehrte die Auswirkungen der Vibration auf den menschlichen Körper. Mittels einer einfach Baumsäge und einem Tuch übertrugen sie die Schwingungen gezielt auf verletzte Körperteile und versuchten so, die lokale Wundheilung zu verbessern.

Danach verschwand die Vibration lange aus der medizinischen oder sportlichen Welt. Erst 1880 baute Jean Martin Charcot einen vibrierender Stuhl sowie Helm, welche in den folgenden Jahren von Therapeuten zur Schmerzbehandlung eingesetzt wurden.

Wieder 80 Jahre später im Jahr 1960 führte Prof. Dr. Biermann in der damaligen DDR die ersten ernsthaften wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema durch. 1970 entwickelt der Russe Dr. Vladimir Nazarov Biermanns Arbeit weiter für die Raumfahrt in der Sowjetunion. Die Kosmonauten konnte mit dieser Hilfe beinah viermal solange im All bleiben wie amerikanische Astronauten, da sie weniger mit Muskelschwund und Durchblutungsstörungen zu kämpfen hatten.

Nach dem Fall der Mauer gelangte das Wissen in die westliche Welt. 1996 meldet die Firma Galileo  weltweit das erstes Patent auf eine seitenalternierde Vibrationsplattform an, welche bald darauf in vielen Physiotherapien zum Einsatz kam. Der Durchbruch gelang 1998 Guus van der Meer, einem niederländischen Nationaltrainer in unterschiedlicher Sportarten, der die erste Power Plate entwickelte. Wieder gut 10 Jahre später sollten auf der Fibo 2007, der weltgrößten Messe für Fitness, über 50 Aussteller von Vibrationsplattformen vertreten sein. Inzwischen hat nach vorsichtigen Schätzungen jedes dritte Fitnessstudio eine oder mehrere Vibrationsplattformen.

Original Artikel

Ein Gedanke zu „Vibrationsplatten – alles Hokus Pokus?

  1. Ich trage mich mit dem Gedanken, eine Vibrationsplatte für privat zu kaufen, die in erster Linie dem Muskelaufbau/Kräftigung dienen soll. Andererseits wäre es natürlich nicht schlecht, wenn das Gerät für therapeutische Zwecke auch den Niedrigfrequenzbereich <25 Hz abdeckt. Aus eigener Erfahrung kenne ich nur die PowerPlate Pro5Air.
    Folgene Fragen:
    1. PowerPlate spricht selbst über 3Wege Vibration, während Dr. Müller die PP als rein vertikal vibrierende Platte einstuft. Wie darf ich das verstehen?
    2.irgendwo war in diesem blog zu lesen, dass es Platten gibt, die sowohl rein vertikale als auch die alternierende Vibrationen ermöglichen. Welche Marken/Hersteller sind das?
    3. Welche medizinische Fachrichtung muss ich ansprechen, wenn ich meine persönliche Muskelreaktionszeit (Kontraktion nach Dehnungsreiz) erfahren möchte, um so in der optimalen Frequenz zu "trainieren"?

    Vielen Dank für jede nützliche Antwort!

    LG Anja

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